Stoabergmarsch – 24h neue Grenzen erwandern

Auf 24h-Touren haben leidenschaftliche Wanderer die Möglichkeit eigene Grenzen auszutesten. Und ihre Bereitschaft als Gruppe die Strecken gemeinsam zu bestreiten. Hört sich nach einer Herausforderung an? Ist es auch!

Ohne Schlaf eine Strecke von 50 Kilometern und 4000 Höhenmetern meistern? Während eine Hitzewelle mit bis zu 35 Grad über Österreich brütet? Wie läuft solch ein Event ab und was passiert, wenn ich abbrechen muss? Ist meine Kondition ausreichend? Kann ich in der Gruppe mein eigenes Tempo gehen?
Fragen, die während meiner Anmeldung nur kurz aufblitzten. Ich wollte es versuchen, war neugierig darauf und lechzte nach dieser Erfahrung in den Bergen.

Samstagmorgen, 08:00 Uhr, Rathausplatz Saalfelden in Salzburg.
Der Wetterbericht verspricht bei der Registrierung zum Start einen weiteren Tag mit über 30 Grad. Der Geruch von Sonnenmilch liegt in der Luft.
120 motivierte Teilnehmer scharren bereits voller Tatendrang in den Startlöchern um den
5. Stoabergmarsch in Angriff nehmen zu dürfen.

Eine geballte Ladung Motivation am Weg in die Berge!


Erste Verluste

Pünktlich um 09:00 Uhr setzt sich die Gruppe in Richtung Peter-Wiechenthaler-Hütte in Bewegung. Die Mutter und der Bruder des frischgebackenen Ski-WM Silbermedaillengewinners Manuel Feller empfangen uns gut gelaunt mit einer schmackhaften Stärkung und grandioser Aussicht.

Die Peter-Wiechenthaler-Hütte auf 1.707 m ü. A.

Der erste Abschnitt auf diesem steilen Gelände durch Latschen, ohne jeglichen Schatten und der unbarmherzigen Mittagssonne, führt zu ersten Verlusten. Einige wenige Teilnehmer entscheiden sich für einen Abbruch und kehren ins Tal um bevor es den weiteren Anstieg auf die Weißbachscharte auf 2261 Metern Seehöhe zu erklimmen gilt.

Der noch gemütlichere Weg Richtung Weißbachscharte….


….bevor der etwas ungemütlichere, aber spannende Aufstieg auf die Scharte beginnt.

Schatten wird mehr und mehr zur Mangelware. Jedem ist es selbst überlassen stehen zu bleiben und reichlich zu trinken. Das gilt auch für das Staunen und Wahrnehmen der Landschaft die einen umgibt. Die Steige wurden mit Seilen Abschnittsweise gesichert – der steinige, unebene Untergrund fordert trotzdem vollste Konzentration. Zu schnell rutscht man in einen kleinen Spalt oder übersieht kleine lockere Steine die unter den Füssen wegrutschen.

Plötzlich ertönt Musik. Manch einer meint, er hört die Engel singen.
Diese Engel sind unsere Bergführer. Deren Rucksäcke lediglich mit ihren Blasinstrumenten bepackt sind, die zum Einsatz kommen um eine Rast einzuläuten. Oder um müde Teilnehmer motivieren weiterzugehen. Eine tolle Idee und wahrer Stimmungsaufheller.

Respekt! Ich könnte nach dem Aufstieg kein Blasinstrument mehr spielen.

Auf der anderen Seite der Scharte wartet ein Anblick mit dem ich nicht gerechnet hätte. Das Steinerne Meer macht seinem Namen alle Ehre. Diese karge, steinige und weite Landschaft erinnert auch an eine Steinwüste. Die Markierungen sind hier leicht zu übersehen und sollten die Abstände zwischen den Wanderern größer werden, ist auch hier vollste Konzentration gefordert um nicht vom Weg abzukommen.

Das Steinerne Meer wird seinem Namen gerecht.

Hin und wieder müssen wir kleine Schneefelder überqueren auf denen sich in höheren Ebenen Gamsherden niedergelassen haben. Erstaunlich, dass die Felder bei der Hitze nicht schmelzen. Zum Glück der Gämsen! Sie suchen dort Abkühlung und lecken den Schnee um ihren Durst zu löschen.
Inmitten dieser Landschaft taucht das Ingolstädter Haus unterhalb des großen Hundstod auf. Gerade recht für eine kurze Verschnaufpause bevor der Abstieg beginnen kann.

Das Ingolstädter Haus unter dem großen Hundstod auf 2.120 m ü. A.

Durch den Wald führt der Weg entlang des Dießbachstausees. Ein kleiner Juwel, der in der Sonne in einem satten Grün erstrahlt. Und siehe da! Plötzlich befinde ich mich in diesem Märchenwald mutterseelenallein. Von anderen Teilnehmern keine Spur. Durch das viele Staunen habe ich den Anschluss an den vorderen Teil der Gruppe, als auch den etwas langsameren hinteren Teil verloren. Nach fast 8 Stunden gemeinsamen Unterwegssein eine kleine Wohltat! Für zumindest knapp 20 Minuten. Auf dem gut beschilderten Wegen ist niemand verloren und der Anschluss ist bald wieder hergestellt.

So abwechslungsreich die Tour bisher war, setzt sie sich auch fort. Vom Märchenwald geht es auf  idyllischen Almwegen zum Abendessen auf die Kallbrunn Alm.

Während der Stärkung mit Kaspressknödel lerne ich weitere Teilnehmer kennen und wir bilden eine kleine Mannschaft um die weiteren Stunden gemeinsam zu meistern.
Die Nacht wird nicht wie erhofft mit einem kitschigen Sonnenuntergang eingeläutet. Ein faszinierendes Farbenspiel aus Sonne und Wolken zeigen uns ein aufkommendes Gewitter an. Ein dumpfes Grollen und Blitze bedrohen unseren Nachtabschnitt. Jenem Teil, dem ich schon so gespannt entgegengesehen habe.

Da kommt etwas auf uns zu ….
….sieht bedrohlich aus.

 

Der Tiefpunkt kommt gegen 1 Uhr nachts

Als kleine Lichttraube mit Stirnlampen bespickt, müssen wir jetzt als Gruppe zusammenbleiben. Das Gewitter verschont uns. Die gerade noch schlafenden Kühe auf den Weiden allerdings nicht. Neugierig kommen sie uns sehr nahe. Zu nahe meiner Ansicht nach. Mit großen Augen starren sie uns an, als versuchen sie zu verstehen, was wir denn darstellen sollen. Manche begleiten uns ein Stück. Sie sind in der Dunkelheit nur am Glockengeräusch zu erkennen. Mal werden sie schneller, biegen ab oder tauchen wie aus dem Nichts vor einem auf. Mein generelles Unbehagen in der Nähe von Kühen wird auf die Probe gestellt.
Noch sind die Sinne hellwach. Bis etwa 1 Uhr in der Nacht!
Die Gespräche verstummen, die Augenlider werden schwer. Der automatische Gang hinter dem Lichtstrahl der Stirnlampe erinnert an einen übermüdeten Autofahrer kurz vor dem Sekundenschlaf.
Willkommen am Tiefpunkt!
Die ersten etwas gereizten Teilnehmer sind zu hören. Einige kämpfen mit Blasen an den Füßen und Sonnenbränden an Schultern und Waden.
Gegen 2 Uhr der Lichtblick! Im wahrsten Sinne des Wortes. Das Organisationsteam hat einen kleinen Unterstand beleuchtet und wartet dort mit Kaffee und Gebäck auf uns. Das ist eine dringende Maßnahme für uns müden Wanderer und die allgemeine Stimmung.

Für mich vergeht die Nacht ab diesem Zeitpunkt wie im Flug. Die Zeit zwischen völliger Dunkelheit und der Morgendämmerung kommt mir überraschend kurz vor. Hab ich im Gehen geschlafen? Ist es meine momentane Wahrnehmung, die nicht mehr ganz auf der Höhe ist?

Mit der Morgendämmerung nähern wir uns der nächsten größeren Pause. Dem Frühstück in Lofer. Die Wanderschuhe stehen in kurzer Zeit verteilt unter den Tischen, Teilnehmer in Socken versuchen ans Buffet zu gelangen. Jeder Schritt ist beschwerlich.
Während dieser Pause vor der letzten Etappe zum Zieleinlauf in Waidring, entschliessen sich einige Teilnehmer schweren Herzens den Bus zu nehmen.

Der Bus sieht verlockend aus….

Mein kleines Team und ich sehen uns kurz an. Der Bus sieht verlockend aus. Der Ausblick auf den Zieleinlauf auch! Zähne zusammenbeissen und durch. Diese 2 Stunden kommen mir im Gegensatz zur Nacht wie ein zäher Kaugummi vor. Vorallem da es der einzige Abschnitt der gesamten Strecke ist, der entlang einer asphaltierten Straße führt. Keine Wohltat für die müden Füße!

Sonntagmorgen, 09:00 Uhr, Zieleinlauf in Waidring.
Punktgenau schüttet der Wettergott alles an Regen aus, was er die Nacht über in den Bergen zurückgehalten hat. Das trübt unser Glück in diesem Moment nicht im geringsten.
Müde, aber stolz laufen wir im Ziel ein! Wäre hätte gedacht, dass 120 Menschen für 24 Stunden eine solch tolle Truppe bilden können.

Die Motivation für meine Teilnahme an diesem Marsch zwischen Salzburg und Tirol war neben der körperlichen Herausforderung, die unglaublich schöne und abwechslungsreiche Landschaft. Die geplante Strecke war bei unserem Zieleinlauf auf beachtliche 60 Kilometer und 4.600 Höhenmeter angestiegen. Keinen einzigen Schritt davon möchte ich missen.
Ich bin an Grenzen gestossen und habe spüren dürfen wie dehnbar diese sind.
Kurz nach dem Zieleinlauf bei Weißwurst und Brezel werde ich gefragt, ob ich nochmal an einer solchen Tour teilnehmen würde.
„Jetzt nicht. Nächste Woche auch nicht!“, ist meine spontane Antwort.
Hätte mir jemand gesagt, dass ich 3 Wochen später an der Kitzalp24 in Tirol mitwandern werde, hätte ich ihn für verrückt erklärt.

Die  Kombination aus eindrucksvoller Naturkulisse, abwechslungsreichem Programm und nicht zuletzt dem Gemeinschaftsgefühl während der 24 Stunden am Stoabergmarsch, haben mich zu einem begeisterten Fan dieser Veranstaltung werden lassen.
Der nächste Marsch findet 2018 vom 23. – 24. Juni in den Loferer Steinbergen statt und steht in meinem Kalender bereits fett eingetragen.
Nähere Infos und Anmeldungen sind direkt auf der Seite des Tourismusverbandes möglich >> Kitzbüheler Alpen

Welche Grenzerfahrungen habt ihr beim Wandern gemacht? Würdet ihr an einem solchen Event teilnehmen? Auf eure Ansichten im Kommentarfeld bin ich sehr gespannt.

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